
Paul Gecko liegt im Bett und dreht sich langsam um die eigene Achse. In einer Ecke seines Zimmers erkennt er ein junges Pärchen, das einander in zärtlicher Nähe zugetan ist. Verstohlen beobachtet er die Szene, doch schon bald fällt sein Blick auf den roten Laptop neben ihm. Für einen Moment meint er, die junge Frau schaue zu ihm herüber, als sei sie durch seine Anwesenheit gestört. Doch als er sich zur anderen Seite dreht, ist sie verschwunden. Stattdessen steht dort ein Bett, in dem ein Junge schläft. Im Fenster darüber, scheint ein blutroter Vollmond ins Zimmer. Paul weiß: Der Junge darf auf keinen Fall bemerken, dass er sich von seinem Laptop aufgeregt bis erregt ablenken lässt.
Als er sich umsieht, erscheint ihm die ganze Situation absurd – so sehr, dass ihm schlagartig bewusst wird: Dies ist kein gewöhnliches Zimmer, sondern ein Traum.

Paul beschließt, das Kinderzimmer zu erforschen, findet darin jedoch nichts Spannendes. Also sammelt er all seine Kraft, nimmt Anlauf und springt wie ein kleiner Junge durch das geschlossene Fenster hinaus in die Traumwelt. Mit Leichtigkeit fliegt er über die Landschaft, dreht seine Runden und spürt die Freiheit der Bewegung. Bald wächst in ihm der Wunsch, seine Erfahrung mit anderen zu teilen.


So landet er in einer großen Sport- und Kulturhalle, erfüllt von gleißendem, aber angenehmem Licht. Dort trifft er Gleichgesinnte, die ebenso fasziniert vom Traumflug sind. Gemeinsam überlegen sie im Gespräch, etwas Neues zu schaffen – eine Bewegung, die das gemeinsame Erleben und die Freude an der Freiheit in den Vordergrund stellt. Doch Paul ist wachsam: Er weiß, wie schnell solche Unternehmungen in überhöhte, gar messianische Züge abgleiten können. Nur im Miteinander, ohne Führungsanspruch, kann etwas von Dauer entstehen.

Allmählich beginnt der Traum, sich zu verändern. Paul spürt, wie er zwischen Wachheit und unbewusstem Treiben hin- und herschwebt. Schließlich gelangt er an eine verlassene Jagdhütte. Durch ein schmutziges, milchiges Fenster versucht er hineinzuschauen. Die Dunkelheit verbirgt das Innere, doch sein Drang, mehr zu erfahren, lässt ihn nicht los.

Mit aller Kraft und kindlicher Neugierde „beamt“ er sich schließlich schwimmend hinein. Dort findet er sich in völliger Einsamkeit wieder. Seine Gefährten sind verschwunden, und er erkennt: Er muss diesen Weg nun allein fortsetzen.

Sein luzider Traum führt ihn weiter auf einen Basar, wo Stände mit Symbolen, Bildern von Prominenten und allerlei Devotionalien locken. Verspielt und gleichgültig wirft er Eiswürfel auf die überraschten Händlerinnen und Händler – nicht aus Bosheit, sondern um die Traumebene zu vertiefen. Sein Blick schweift schließlich in die Ferne, zu einem schneebedeckten Gipfel. Von den schwarzen, schroffen Hängen heben sich weiße Felder ab. Paul weiß, dass er den Weg zum Gipfel nur allein gehen kann.
In dieser Einsicht liegt die zentrale Erkenntnis seines Klartraumes: Am Ende bleibt die Verantwortung für das Erleben bei ihm selbst. Mit diesem Gefühl von Erfüllung und Klarheit erwacht Paul Gecko schließlich aus seinem Traum.
Email an Klaus- H. Schader