
Eine junge Restauratorin hilft
Im Traum erscheint mir eine junge Restauratorin, flink und konzentriert. Ihre Hände arbeiten mit der geduldigen Präzision einer Uhrmacherin – sie zieht meine Linien exakt nach, verstärkt feine Schattierungen und stabilisiert brüchige Kanten. Ich empfinde Erleichterung: Endlich wird die aufwendige Detailarbeit geteilt. Doch bald registriere ich einen feinen Zug von Unbehagen in ihrem Gesicht; die Routine der Restaurierung liegt ihr nicht am Herzen.
Der Wunsch nach Freiraum: expressionistischer Gestus
Ich frage sie, ob sie lieber freier, expressiver und bunter arbeiten möchte. Sie nickt, ihre Augen leuchten bei dem Gedanken an kräftige Pinselzüge, spontane Farbfelder und wilden Rhythmus. Ich öffne mich für diesen Impuls und schlage vor, sie möge über meinen hyperrealistischen Grund ihre impulsiven Gesten legen – ich würde nicht zu genau hinschauen. Im Gegenzug könnte sie einige meiner Details verfeinern.
Innere Zögerlichkeit: Einklang oder Bruch?
Anfangs wirkt sie begeistert, doch schon bald spürt sie Unsicherheit: Harmonieren ihre expressiven Spuren mit der glatten Oberfläche meiner Bilder? In der Praxis sieht sie die Gefahr, dass ihr Ausdruck verschluckt oder banalisiert wird, während ich fürchte, meine präzise Bildsprache könnte ihre ersticken. Das Projekt – unser gemeinsames Kind – gerät zwischen zwei unversöhnliche Kunstwelten.

Externe Intervention: Die temperamentvolle Freundin
Als ihre temperamentvolle Freundin, impulsiv und beschützend, von unserem Tausch hört, reagiert sie heftig. Für sie ist es ein Verrat: Ein Hyperrealist, der in das Feld einer expressiven Malerin eingreift, verletze deren Authentizität. Ihre Intervention verstärkt die Unsicherheit; die Restauratorin zieht sich zurück, verzweifelt und zweifelnd. Die Atmosphäre verhärtet sich, und die Möglichkeit eines gemeinsamen Werkes scheint zu zerbrechen.

Der Traum als Metapher: Was könnte das bedeuten?
Traumdeutung bietet viele Ebenen: Einerseits steht das Bedürfnis nach Perfektion, Kontrolle und Vollendung – vielleicht ein Spiegel des Selbst, das Sicherheit in Detailtreue findet. Zudem ruft die Farbe, die Geste und das Chaos nach Freiheit, Ausdruck und persönlicher Entfaltung. Die restaurative Helferin symbolisiert dabei jemanden, der sowohl unterstützt als auch eigene kreative Sehnsüchte mitbringt. Die übersteigerte Reaktion der Freundin spricht für soziale Normen, Loyalitäten oder Angst vor künstlerischem Verrat.
Der Traum endet offen: Du suchst nach einer Lösung, einer Brücke, und wachst auf, ohne eine schlüssige Antwort gefunden zu haben. Vielleicht ist genau dieses Unausgeschlafensein die Einladung, keine sofortige Lösung zu erwarten, sondern den Konflikt als fruchtbaren Raum zu betrachten.
Praktische Impulse für mich: Wie man die beiden Stile verbinden kann
- Layering statt Übermalen: Mehrere transparente Farbschichten erlauben, dass sowohl der hyperrealistische Untergrund als auch der expressive Duktus sichtbar bleiben.
- Partielle Freigabe: Konzentriere expressive Gesten auf ausgewählte Zonen, statt über das ganze Werk zu arbeiten.
- Respektvolle Kooperation: Vereinbare sichtbare Grenzen – Flächen, die der Malerfreundin gehören, und Flächen, die du behältst.
- Experimentelle Serie: Arbeite an Studien, nicht an „unserem Kind“ – so nimmt der Druck ab und der Prozess wird sichtbar.
Email an Klaus- H. Schader