Der Gecko oder der Weg nach San Francisco

Alte Echse

Paul Gecko liegt noch halb müde im Bett und rekelt sich hin und her. So aus halb offenem Auge sieht er die Enkelin. Sie turnt im Bett und will mit ihm spielen. Seine Frau kommt auch ins Zimmer. Da sie auf dem Weg zur Arbeit ist, wirkt sie hektisch und nervös. Sie sieht, dass er schon fast wach ist und fordert ihn auf, aufzustehen! Es ist noch viel zu tun, bevor er mit der Enkelin in den Urlaub fahren kann. Welcher Urlaub und mit wem fragt sich Paul Gecko. Natürlich die Enkelin und er alleine. Scheiße, er hat noch nichts gepackt. Wie soll er bitte schön mit ihr alleine in den Urlaub fahren? Die Frau meint: Das Chaos hier im Zimmer habe er gefälligst vorher aufzuräumen. Sie meint den umgekippten Mülleimer und den abbröckelnden Putz.

Überhaupt will sie eine neue, jüngere, lebendigere Echse, einen Gecko haben. Für seine Frau ist das alte Exemplar ein nutzloser Taugenichts. Den ganzen Tag hat er nichts anderes zu tun, als auf irgendeinem Ast zu sitzen und aufs Fressen zu warten, das zufällig an ihm vorüber streift. Dabei blickt er, nein starrt er teilnahmslos, unschuldig aus seinem dicken Panzer und schillert in den poppigsten Farben vor sich hin. Was soll mit der alten Echse passieren, blufft Paul Gecko zurück. Der soll im Käfig auf der Terrasse vor sich hin verrotten, erwidert abgebrüht die Frau. Danach verschwindet sie aus der Wohnung.

Paul flüchtet vor der Hausarbeit

Von wegen Müll beseitigen und Enkelkinder unterhalten, Paul Gecko macht sich erst einmal aus dem Staub. Schließlich will er noch etwas in seinem Traum erleben. Auf der Straße herrscht jedoch auch nur Chaos. Die alte Pflasterstraße, die hin und wieder von einem Bach als Bachbett benutzt wird, soll mit einer richtigen Kanalisation verkehrssicher gemacht werden. Die Fußgänger werden von Absperrungen einmal links und dann wieder rechts an den Baustellen vorbeigeleitet. Dabei wird es Paul Gecko ganz schwindlig. Er weiß nicht, wo er noch hintreten soll.

Zudem fließt hier auf den übrig gebliebenen Gehwegen noch etwas Bachwasser. Ein paar Ökofreaks nutzen sie für ihre Fahrradtour als Rutschbahn. Als so ein wahnsinnig johlende Gruppe ihm entgegenkommt, kann er kaum zur Seite springen. Ihre Fahrgestelle verfangen sich im Bauzaun und zerschellen auf dem trockenen Pflaster. Empört wird Paul Gecko von den Ökofreaks angemacht. Was ihm einfällt, ihnen den Spaß zu verderben, indem er kopflos einmal links und einmal rechts auf dem Weg hin- und herspringt. Das die Baustelle daran Schuld ist, interessiert sie nicht.

Paul lässt die hektische Stadt hinter sich

Ihr könnt mich alle mal, denkt Paul Gecko. Darauf hin geht er einfach aus der hektischen Stadt und läuft zu Fuß in seinen wohl verdienten Urlaub. Allerdings ist er nicht alleine. Die Tochter will mitkommen und ein paar erholsame, faule Tage mit ihm als Kellner und Hausmann verbringen. Doch noch sind sie unterwegs auf einer staubigen, heißen Straße in den Urlaub. Hier um sie herum ist verdorrte Steppe und über ihnen ist blauer, gnadenlos niederbrennender Himmel. Dementsprechend schnaufen und hecheln seine Tochter und er vor sich hin. In der Ferne erscheint ein kleiner Ort, in der ein bunter Jumbojet einer asiatischen Charterfirma gelandet ist. Er ist riesig in seinen Ausmaßen und kaum flugfähig.

Plötzlich erklingt eine weltberühmte Melodie aus den 70ern.

San Francisco von Scott McKenzie

Wenn du nach San Francisco gehst,
trage Blumen in deinem Haar.
Wenn du nach San Francisco gehst,
wirst du einige sanftmütige Leute treffen.

Für die, die nach San Francisco kommen
Sommer wird deine Liebe sein.
In den Straßen von San Francisco
Sanftmütige Menschen mit Blumen in den Haaren.

In der ganzen Nation herrscht so eine starke Schwingung
Die Leute sind in Bewegung – Da ist eine ganze Generation
Mit einer neuen Erklärung – Die Leute sind Bewegung
Die Leute sind in Bewegung.

Wenn du nach San Francisco gehst,
trage Blumen in deinem Haar.
Wenn du nach San Francisco gehst,
wirst du einige sanftmütige Leute treffen.

Für die, die nach San Francisco kommen
Sommer wird deine Liebe sein.

Während die Tochter die Gegend eher mit Silicon Valley, in dem Apple Workstations, iPads, iPhones und Apps entwickelt wurden, in Verbindung bringt, ist für Paul Gecko hier in seiner Jugend eher eine Zeit des Aufbruchs und des Neuanfangs gewesen. Begeistert summt er dieses legendäre Lied mit. Er schwebt und tanzt vor der Tochter, beschwingt und voller Sanftmut über dem schwarzen Teer. Das ist ein Klartraum, erklärt er ihr freudestrahlend. Ach so, wenn es nichts weiter Schlimmes ist, dann viel Spaß, erwidert sie teilnahmslos und widmet sich wieder ihren Mails und Sozialblogs.

Email an Klaus- H. Schader